Empfangsgebäude der Strausberger Kleinbahn
Wer schon einmal von der August-Bebel-Straße in die Walkmühlenstraße abgebogen ist, hat sich bestimmt gefragt, welche Funktion das mehrstöckige Gebäude wohl hatte, das sich direkt an das Straßenbahndepot anschließt? Die Antwort lautet: Es war das ehemalige Empfangsgebäude der Strausberger Kleinbahn. Auf der Rückseite des Hauses ist das heute noch sehr gut zu erkennen,
Zur Eröffnung befanden sich im Erdgeschoss der Warteraum für die 2. und 3. Klasse, eine Bahnhofswirtschaft, der Fahrkartenschalter und die Güterabfertigung. In der 2. Etage logierte der Bahnverwalter in seiner Dienstwohnung und das 3. Stockwerk beherbergte den Bahnhofswirt mit seinen Privaträumen. Ein Güterboden und die Materialienkammer waren im Anbau präsent. Am Ende im Norden befand sich eine Viehrampe.
Gegenüber dem Hausbahnsteig existierten noch die Ladestraße und der Lokomotivschuppen; nicht zu vergessen eine Werkstatt für kleinere Reparaturen und die Kohle- und Wasserstation für das Schienenfahrzeug. Sogar eine eigene Telefonverbindung für dienstliche Zwecke zwischen den Bahnhöfen in der Stadt, Vorstadt und zur Ostbahn gab es. Zur Belegschaft der Kleinbahn gehörten je ein Bahnverwalter und Stationsassistent, zwei Lok-, ein Zugführer, zwei Weichensteller und fünf Hilfskräfte (Heizer, Putzer, Stations- und Güterbodenarbeiter).
Zur Vorgeschichte: Alles begann mit dem Wunsch, eine Verbindung zur 1867 in Betrieb genommenen Ostbahn herzustellen. Durch das 1892 erlassene Gesetz des preußischen Staates über Klein- und Privatanschlussbahnen war es möglich, relativ unkompliziert im März 1893 die Gründung der Strausberger Kleinbahn A.G. mit Sitz in Strausberg vorzunehmen. Einen Monat später erfolgte die Eintragung in das Handelsregister und die Gesellschaft erwarb die dauernde Konzession zum Bau und Betrieb einer regelspurigen Kleinbahn zwischen Strausberg-Stadt und Vorstadt zum Zwecke des Personen- und Güterverkehrs.
Für den Bau der 6,2 km langen Strecke beauftragte die AG die Berliner Firma Duhm. Dazu war es notwendig, dass die Bauarbeiter 6192 Meter Haupt- und 1395 Meter Nebengleis verlegten, 9,4 ha Waldfläche rodeten und 20244 Kubikmeter Boden bewegten sowie 15 Wegübergänge angelegten und 4715 Meter Strecke mit Draht einfriedeten.
Der Schienenweg zwischen den Bahnhöfen Stadt und Vorstadt wurde am 17. August 1893 in Betrieb genommen mit drei Zwischenstationen: Landhaus, Schlag- und Hegermühle. Extra für den Güterverkehr wurde zur Preußischen Ostbahn ein Übergabegleis gelegt, um Umladevorgänge zu vermeiden. Die Bahn, mit kleinen zweiachsigen Dampflokomotiven betrieben, fand hohen Zuspruch. Vor allem erholungssuchende Berliner begrüßten den Fortschritt.
Obwohl im Jahre 1903 die dampfbetriebene Kleinbahn bereits 198.923 Fahrgäste beförderte, wurden die Strausberger immer unzufriedener. Mit dem 1904 neu errichteten Umspannwerk am Igelpfuhl kamen bei den Stadtverordneten erste Überlegungen auf, eine elektrische Straßenbahn vom Bahnhof Vorstadt bis zum `Bürgergarten` fahren zu lassen. Zehn Jahre später befasste man sich erneut mit der Elektrifizierung der Kleinbahn.
Nach über 30 Jahren im Jahre 1920, war die übliche Nutzungsdauer erreicht. Die Kleinbahn war abgewirtschaftet. Die alte Trasse zwischen Hegermühle und Strausberg-Stadt blieb für den Güterverkehr erhalten und wurde elektrifiziert.
Um die Bahn, die das bebaute Stadtgebiet Strausbergs östlich umging, näher an die Wohngebiete und die Innenstadt zu bringen, eröffnete die nachfolgende Strausberger Eisenbahn A.G. am 16. März 1921 ihre neue Strecke, auf der die elektrische Straßenbahn noch heute fährt. Für das ehrwürdige Empfangsgebäude bedeutete dies das Ende, es geriet langsam in Vergessenheit.
Quelle: 100 Jahre Strausberger Eisenbahn, Ausgabe 1995
Wir danken Frau Karlsohn vom Heimatmuseum für die großartige Unterstützung.