Schlüpf doch mal in meine Haut - von Heike Schneider
Lesung und Diskussion im Brecht-Weigel-Haus
Am Sonntag, den 30. Oktober 2011 um 15 Uhr präsentierte die Autorin Heike Schneider ihr kürzlich im Militzke-Verlag erschienenes Buch Schlüpf doch mal in meine Haut mit Erfahrungen und Gedanken deutscher und nicht-deutscher, `deutsch aussehender` und „anders“ aussehender Bürger und Bürgerinnen.
Die unsäglich und aufgeregt geführte Debatte nach Sarrazins Bedrohungsvision `gebärfreudiger Kopftuchmädchen, die Deutschland langsam abschaffen` hat die Radio- und Fernsehjournalistin Heike Schneider zum Anlass genommen, Mitbürger anderer Hautfarbe oder Kultur, bzw. mit Migrationshintergrund zu Wort kommen zu lassen. Sie befragte dafür Studentinnen, eine Anwältin, Diplomkauffrauen mit Afrowurzeln, eine palästinensische Übersetzerin, eine junge, rebellische Türkin, eine in der Berliner Härtefallkommission arbeitende Deutsch-Vietnamesin sowie einen iranischen Psychoanalytiker nach ihrem konkreten Alltag zwischen Rhein und Oder.
In acht sensibel geführten und problemorientierten Gesprächen erzählen die Befragten unbefangen davon, wie sie einerseits ihre ganz normale Integration erleben und andererseits immer noch mit rassistischer Diskriminierung konfrontiert werden. Diese reicht vom primitiven Angeglotzt- und Angemachtwerden bis zum Konkurrenzneid und zum schamlosen Ausfragen, weshalb sie so gut deutsch sprechen bis zur physischen Gewalt durch Skinheads und Neonazis.
In ihrem Spagat zwischen dem starken Gefühl des hier Zuhauseseins und der Ohnmacht- oder gar Opferrolle gegenüber subtilem oder offenem Rassismus formulieren sie weder Anklagen, noch Entschuldigungen, sondern reflektieren offen und ehrlich über Selbst-, Fremd- oder auch Feindbilder von beiden Seiten und liefern damit einen ungeschönten und zugleich Hoffnung machenden Gegenentwurf zu Sarrazins Medienhype und Menschenverachtung.
Die Buchautorin Heike Schneider hat acht Jahre als TV- und Radiokorrespondentin in Ost- und West-Afrika gearbeitet und dort einen namibischen Waisenjungen adoptiert, der im märkischen Königs Wusterhausen lebt und inzwischen bei Air Berlin arbeitet. Sie kennt ihr Thema aus persönlichem wie professionellem Erleben. Ihr politisches Sachbuch legte sie pünktlich zum 45. Jubiläum des Internationalen Tages der Vereinten Nationen zur Beseitigung der rassistischen Diskriminierung und 20 Jahre nach der brutalen Ermordung des angolanischen Gastarbeiters Amadeu Antonio Kiowa im brandenburgischen Eberswalde vor.
Während die Eberswalder Polizei damals empörender Weise nicht eingriff, sorgt heute eine Stiftung mit dem Namen des Opfers für antirassistische Aufklärung in Schulen und anderen öffentlichen Diskussionsforen. Denn, so kritisiert der kenianische Rechtsprofessor und Sonderberichterstatter Githu Muigai in einem kürzlich dem UN-Menschenrechtsrat vorgelegten Dokument, `in Deutschland herrscht noch hartnäckiger Rassismus`, gegen den die deutschen Behörden leider nicht effektiv genug vorgehen. Allein im ersten Halbjahr 2010 gab es in Deutschland 387 schwere rechtsextremistische Gewalttaten.
In dem vom Leipziger Militzke Verlag soeben erschienenen Sachbuch `Schlüpf doch mal in meine Haut!“ finden sich unzählige Episoden von schöner, weil selbstverständlicher multikultureller Normalität, aber auch wütend oder nachdenklich machende Erlebnisse von Diskriminierung, sozialen Diskrepanzen, Verletzungen und Erschütterungen, die dem bereitwilligen Leser als `Eye-Opener` für aktive Solidarität im Miteinander von Mitbürgern unterschiedlicher Herkunft dienen können.
Anlässlich der Lesung mit Diskussion sind die Autorin Heike Schneider sowie zwei ihrer in Berlin lebenden Interviewpartnerinnen, Steffi Aukongo aus Namibia und die Deutsch-Vietnamesin Thuy Nonnemann zu Gast im Brecht-Weigel-Haus.
Wann: 30.10.2011 - 12:30 Uhr
Brecht-Weigel-Haus,
Buckow
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