- Energiedienstleister EWE testet unterirdische Wasserstoffspeicherung in Rüdersdorf im Rahmen vom Forschungsvorhaben HyCAVmobil in mehreren Betriebszyklen
- Fünf Jahre erfolgreiche Forschungsarbeit für Übertragbarkeit auf große Kavernenspeicher
Der Energiedienstleister EWE hat sein Forschungsvorhaben HyCAVmobil an seinem Gasspeicherstandort Rüdersdorf bei Berlin abgeschlossen. Im Rahmen des Wasserstoff-Speicherprojektes konnten EWE und sein Partner Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nachweisen, dass die sichere Einlagerung von Wasserstoff in einem unterirdischen Kavernenspeicher möglich ist. Zudem hat sich gezeigt, dass sich der Reinheitsgrad des Wasserstoffs durch die Speicherung in einer neu errichteten Kaverne, wie der in Rüdersdorf, nur minimal verändert. Dies ist vor allem für den Einsatz im Mobilitätsbereich wichtig.
Erkenntnisgewinn für Übertragbarkeit auf großtechnische Speicher
Die Erkenntnisse, die EWE aus dem Bau und dem Betrieb der 500-Kubikmeter-Testkaverne gewonnen hat, überträgt das Unternehmen jetzt auf Kavernen mit dem 1.000-fachen Volumen. „Unser Ziel ist es, großtechnische Kavernen zur Wasserstoffspeicherung zu etablieren. Allein EWE verfügt mit 37 Salzkavernen über 15 Prozent aller deutschen Kavernenspeicher, die sich zur Speicherung von Wasserstoff eignen“, erklärt EWE-Vorstandsvorsitzender Stefan Dohler bei der Abschlusspresskonferenz in Rüdersdorf. Damit sei grüner, aus erneuerbaren Energien erzeugter Wasserstoff in großen Mengen speicherfähig und bedarfsgerecht nutzbar und werde zur unverzichtbaren Komponente, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. „Mit dem Nachweis der sicheren Wasserstoffspeicherung sind wir einen großen Schritt in Richtung Klimaschutz und Versorgungssicherheit mit erneuerbaren Energien vorangekommen. Denn mit Hilfe von Wasserstoff wird die Energie aus Sonne und Wind in großen Mengen vor allem für die industrielle Nutzung speicherbar. Diesem Schritt werden auch von uns viele weitere entlang der gesamten Wertschöpfungskette folgen, um unsere Welt lebenswert zu erhalten“, betont Stefan Dohler.
Seit dem Start des Forschungsvorhabens HyCAVmobil im Jahr 2019 hat EWE verschiedene Projekt-Meilensteine erreicht. Dabei gab es auch Herausforderungen, so dass das Projektteam immer wieder geplante Projektschritte anpassen musste. „Bei einem Forschungsprojekt ist das nicht ungewöhnlich. Wir waren dann nach verschiedenen technischen Anpassungen allerdings umso erleichterter, als wir den ersten und wichtigsten Meilenstein – vor dem eigentlichen Bau der Einfamilienhaus großen Kaverne – erreicht hatten. Das war der erbrachte Nachweis, dass die Kavernenbohrung bis auf 1.000 Meter Tiefe dicht ist“, berichtet Ralf Riekenberg vom EWE-Wasserstoff-Team in Rüdersdorf. Riekenberg zufolge gab es mit der Zementation zwischen dem Gebirge und der Stahl-Verrohung unerwartete und wasserstoffspezifische Herausforderungen. Jedoch konnte EWE das Problem über mehrere Dichtheitstest lokalisieren und beheben.
Mit der späteren Einlagerung von Wasserstoff in die Testkaverne und dem Betriebsstart der Speicheranlage konnte EWE anschließend Erfahrungen für die Ein- und Ausspeicherung von Wasserstoff mit unterschiedlichen Drücken sammeln. Forschende des DLR haben umfangreiche Messungen zur Gaszusammensetzung vorgenommen. Für das Projekt HyCAVmobil hat das DLR am Standort Oldenburg ein neues Labor eingerichtet. In ihm lassen sich die Qualität und Reinheit von Wasserstoff bestimmen. Auch Proben aus der Kaverne in Rüdersdorf wurden hier untersucht. Die Qualität des ausgespeicherten Wasserstoffs ist vor allem für die Nutzung in Brennstoffzellen relevant. Brennstoffzellen können zum Beispiel in Fahrzeugen zum Einsatz kommen und Wasserstoff in Strom für den Elektromotor umwandeln. „Hier können wir die zentrale Forschungsfrage, ob sich die Kaverne als großtechnischer Speicher für Wasserstoff eignet, in dieser Konfiguration mit ‚ja‘ beantworten. Die Qualität ist unseren Untersuchungen nach auch beim Ausspeichern aus der Kaverne immer noch so hoch, dass eine einfache Aufreinigung für die weitere Nutzung ausreicht“, betont Dr. Alexander Dyck, Abteilungsleiter Stadt- und Gebäudetechnologien am DLR-Institut für Vernetzte Energiesysteme. „Auch für uns war es ein Gewinn, erstmals Messungen an einer realen Kaverne durchführen zu können und damit wichtiges Basiswissen für die Gestaltung der zukünftigen Wasserstoff-Infrastruktur in Deutschland bereitzustellen.“
Die Erkenntnisse aus dem Rüdersdorfer Projekt will EWE in einem nächsten Schritt auf ein erstes großtechnisches Vorhaben übertragen. Ralf Riekenberg: „An unserem Kavernenstandort in Huntorf in der Wesermarsch rüsten wir eine Erdgaskaverne für die Speicherung von Wasserstoff um. Allerdings müssen wir die Reinheit nach der Wasserstoffentnahme bei dieser Bestandskaverne gesondert betrachten. Denn bisher haben wir in dieser Kaverne Erdgas gespeichert, das wir nicht komplett aus dem Speicher herausholen können.“ Das Huntorfer Projekt ist Teil des verbindenden Großvorhabens „Clean Hydrogen Coastline“. Dieses bringt Erzeugung, Speicherung, Transport und Nutzung von grünem Wasserstoff – vor allem in der Industrie – zusammen und setzt damit die politischen Forderungen um. Für das vierteilige Großprojekt im Rahmen des europäischen IPCEI-Programmes (Important Project of Common European Interest) hat EWE im Sommer dieses Jahres die Förderbescheide von Bundeswirtschaftsminister Habeck erhalten. Derzeit ist EWE in der Detailplanung und beabsichtigt, bereits in den nächsten drei bis vier Jahren Wasserstoff einzulagern.
Fehlender politischer Rahmen gefährdet Umsetzung von H2-Speicherprojekten
Für die Nachnutzung von weiteren Erdgasspeichern oder den Neubau unterirdischer Wasserstoffspeicher braucht es angesichts der notwendigen Vorlaufzeiten für die Inbetriebnahmen schnell Klarheit über die Regulatorik und die Finanzierung. „Niemand kann in Wasserstoffspeicher von null an komplett wettbewerblich investieren, um den Markthochlauf voranzutreiben", betont EWE-Chef Dohler, „so, wie beim Wasserstoff-Kernnetz eine Art Anschubunterstützung nötig ist, so werden wir diese auch im Speicherbereich benötigen. Denn Fakt ist, nur ein Zusammenspiel und eine gleichzeitige Entwicklung von Wasserstoff-Kernnetz und Wasserstoff-Speichern ist sinnvoll. Das schafft Systemstabilität und Versorgungssicherheit und ermöglicht die effiziente Einbindung volatiler erneuerbarer Energien." Der EWE-Chef fordert daher, dass der politische Rahmen mit der Verabschiedung der Wasserstoff-Speicherstrategie schnell gesteckt wird und Kernfragen, wie die Ausgestaltung des Marktrahmens, geklärt und staatlich abgesicherte Finanzierungsmechanismen sowie konkrete Finanzierungskonzepte für Speicherprojekte ausgestaltet sind. „Wir sind fest davon überzeugt, dass Wasserstoffspeicher in Zukunft eine entscheidende Rolle spielen werden. Bis zur Klärung des regulatorischen Rahmens gehen wir daher ins Risiko, leisten Vorarbeit und entwickeln Konzepte, wie wir unsere jetzigen Gasspeicherstandorte in Rüdersdorf, Huntorf, Jemgum und Nüttermoor für die Speicherung von Wasserstoff umbauen und diese ans Wasserstoff-Kernnetz anschließen können.“ Wenn der politische Rahmen stehe, könne EWE dann zügig Investitionsentscheidungen treffen und in die Umsetzung seiner Pläne gehen.
Gasspeicherstandort Rüdersdorf hat Potenzial für Integration ins Wasserstoff-Kernnetz
Der Gasspeicherstandort von EWE in Rüdersdorf ist mit seiner Nähe zur Metropolregion Berlin und zu den Wasserstoff-Leitungen für den Aufbau des deutschlandweit geplanten Wasserstoff-Kernnetzes, der Autobahn für den Transport, geografisch optimal gelegen. Daher hat das Unternehmen bereits mit ONTRAS Gastransport eine Absichtserklärung zur Integration des Standortes in das Wasserstoff-Kernnetz unterzeichnet. Zudem ist EWE dem Kooperationsprojekt „Flow – making hydrogen happen“ der Gastransportnetzbetreiber GASCADE, ONTRAS und terranets bw als Speicherpartner beigetreten. Dieses plant den Bau einer Transport-Infrastruktur von Nordostdeutschland nach Südwestdeutschland als Teil des Kernnetzes, um internationale Wasserstoff-Märkte zu verknüpfen. „Unser Speicherstandort Rüdersdorf kann ein elementarer Bestandteil der Wasserstoff-Infrastruktur in Ostdeutschland werden“, so Stefan Dohler, „daher bewerten wir aktuell die Umrüstung und auch den Neubau weiterer Kavernen am Standort Rüdersdorf.“ In einem nächsten Schritt wird EWE die Projektentwicklung für den Standort Rüdersdorf vorantreiben und im Rahmen seines Entwicklungsbudgets in Vorleistung gehen. „Wir stehen bereit und wollen die Energiezukunft aktiv mitgestalten. Wenn der regulatorische Rahmen steht, können wir konkreter werden. Bis dahin wird unsere kleine Wasserstoff-Testkaverne erst einmal nicht weiter betrieben. Allerdings werden wir ab Januar weitere Tests vor Ort durchführen. Beispielsweise wollen wir das Mischungsverhalten von Wasserstoff und Erdgas sowie den Wasserdampfgehalt des Wasserstoffs genauer untersuchen“, berichtet Ralf Riekenberg.
14-Millionen-Investition in die klimafreundliche Energiezukunft
Das Investitionsvolumen für das Wasserstoff-Speicherprojekt HyCAVmobil belief sich nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit auf mehr als 14 Millionen Euro – knapp acht Millionen davon waren EWE-eigene Mittel. Die restliche Summe in Höhe von rund 6,5 Millionen Euro haben EWE und sein Projektpartner Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie als Förderung vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) erhalten. Die Förderrichtlinie wird von der NOW GmbH koordiniert und durch den Projektträger Jülich (PtJ) umgesetzt.
HyCAVmobil: Projektphasen und Meilensteine im Überblick
- Frühjahr 2021: Einbau und Zementierung von 160 Stahlrohren bis in 1.000 Meter Tiefe in eine vorhandene Bohrung im Salzstock unter Rüdersdorf als Grundlage für den Bau der Testkaverne: Das verbaute Rohr-in-Rohr-System ermöglicht es EWE, das innere Rohr für spätere Materialtests auszubauen und nutzen zu können.
- Herbst 2022: Dichtheitsnachweis der Kavernenbohrung zum geplanten Hohlraum bis auf 1.000 Meter Tiefe: Dafür hat EWE die zementierte Verbindung zwischen dem eingebauten Rohr-in-Rohr-System und dem Gebirge auf Dichtheit getestet und den Nachweis erbracht, dass die Bohrung bei den notwendigen Drücken dicht ist – als Voraussetzung für die sichere Speicherung des kleinsten Moleküls Wasserstoff.
- Herbst 2022 bis Frühjahr 2023: Aussolung und Schaffung des Hohlraums im Salzstock unter Rüdersdorf für die Einlagerung von Wasserstoff und die anschließenden Betriebstests
- Frühjahr bis Herbst 2023: Aufbau der Obertageanlage für den Betrieb des Wasserstoffspeichers
- Herbst 2023: Erste Wasserstoff-Einlagerung
- Winter 2023 bis Herbst 2024: Betriebstests der Wasserstoffkaverne und der Wasserstoffspeichertechnik mit unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten, Drücken und Ruhephasen
HyCAVmobil: Erkenntnisse im Überblick
- Wasserstoff hat nach der Entnahme aus dem neu gebauten Kavernenspeicher einen sehr hohen Reinheitsgrad. Bei der Umrüstung von Erdgaskavernen ist dies gesondert zu betrachten.
- Dichtheitsanforderungen an einen Wasserstoffspeicher sind durch die Fließ-Eigenschaften des Wasserstoffs höher als die Anforderungen an Erdgasspeicher, denn Wasserstoff besteht aus kleineren Molekülen als Erdgas.
- Wasserstoff-Speicherung ist durch das HyCAVmobil-Projekt erprobt, funktioniert und kann auf großtechnische Kavernen angewandt werden.
- Simulierte „Mini-Kaverne“ liefert Erkenntnisse zu den Materialeigenschaften von Infrastrukturen und wie diese zukünftig zu warten sind. Ein Beispiel dafür sind Rohrleitungen. Dabei wurden sowohl Einflüsse auf den Stahl dieser Leitungen also auch die mikrobielle Aktivität untersucht.
- Spezielle Spuren-Analytik kann Verunreinigungen im Wasserstoff messen und seine Reinheit sicherstellen.
- Die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Projektes sind über Journal-Veröffentlichungen des DLR der Allgemeinheit zugänglich